Ökotheologie und Nachhaltigkeit als Facetten Interkultureller Theologie standen im Fokus.
In seiner Begrüßungsansprache betonte Andreas Heuser, der Vorsitzende der DGMW, die Aktualität des Themas durch den Klimawandel. Insbesondere habe der Mensch im Anthropozän den Planeten so transformiert, dass kritische Kippunkte erreicht wurden. Zu den anthropogenen Faktoren zählt leider auch, dass durch den Kolonialismus alternative Wissenssys-teme ausgeschlossen wurden. Heuser gab der Hoffnung Raum, dass durch ihre Aufnahme korrigierend gegengesteuert werden könne.
Konrad Liebscher sprach für den IIMF-Vorstand. Er erinnerte an die beiden päpstlichen Enzykliken Laudato Si als einer Einladung zum Dialog mit den indigenen Kulturen und an Laudate Deum als Manifest gegen das Kleinreden der Klimakrise.
In dem vorgelesenen Impulsvortrag von Jürgen Moltmann bezeichnete dieser den Klimawandel aufgrund der wachsenden Umweltbelastungen durch den CO2-Anstieg und die Urbanisierung mit der Folge des Artensterbens, des ansteigenden Meeresspiegels und der Dürrekatastrophen als eine neue spirituelle Krise, die ein neues Menschenbild erfordere, in dem es z.B. keinen Krieg mehr gegen Tiere gäbe. Anknüpfend an den Epheserbrief (Eph 1,22) und den Kolosserbrief (Kol 1,16) „alles durch Ihn und zu Ihm“ brachte er den Gedanken des kosmischen Christus ein. Die Natur als Schöpfung Gottes solle als Subjekt verstanden werden. In der Umsetzung bedeute dies ein neues Menschenbild, anakephalaionton panton, alles unter dem Haupt des kosmischen Christus. Auf der Spurensuche nach einer Ökotheologie mit ethischer Orientierung interpretierte er Mission als kosmische Mission; das anthropische Prinzip solle durch das christologische Prinzip ersetzt werden.
Isis Ibrahim hielt den ersten Hauptvortrag „Missionswissenschaft trifft Ökotheologie“. Sie plädierte für eine ökologische Schöpfungstheologie der Versöhnung und der Gerechtigkeit eco justice, bei welcher der Mensch in der dialektischen Spannung steht (Moltmann), als imago mundi stellvertretend vor Gott und als imago Dei stellvertretend vor der Welt. Anknüpfend an Laudato Si war ihr hier der Gedanke von Franziskus wichtig, der Sorge über das gemeinsame Haus. Sie plädierte weiter für eine Neuorientierung und Neubestimmung der Missionswissenschaft durch die Interkulturelle Theologie, was nach ihrem Dafürhalten inhaltlich mit dem Abschied von Kolonialisierung und Postkolonialismus einhergehe und damit einen epistemologischen Wandel bedeute. Die Interkulturelle Theologie selbst brächte den universalen Anspruch des Schöpfungsglaubens und dessen kontextuelle Verwurzelung zum Ausdruck. Damit verband sie das Durchbrechen hegemonialer Muster und die Aufnahme indigener Gedanken. Ihre indigenen Beispiele aus Lateinamerika, Subsahara Afrika, Asien und Europa drängen den Gedanken auf, ob Gott dabei nur noch als add-on und das Christentum als Ressource unter anderen verkümmere.
In seiner Response brachte Wolfgang Schürger die eschatologische Perspektive und die Hoffnung auf ein gutes Ende ein. Anknüpfend an Karl Barth, dass die Chaosmächte von Gott gerichtet werden, verdeutliche die Theodizee, dass nicht nur anthropogene Faktoren verantwortlich für das Geschehen gemacht werden können. In der sich anschließenden Diskussion wurde nach einer Hermeneutik der Religionen mit der Zielperspektive eines Inklusivismus gefragt. Ein Diskussionsteilnehmer erinnerte daran, dass indigene Kulturen sich im Umgang mit modernen Technologien und deren Auswirkung auf die Umwelt schwerer tun, was eine Spannung zwischen idealisierter Indigenität und gelebter Wirklichkeit verdeutlichte. Damit wurde erkennbar, was der Vortrag vermissen ließ, nämlich die Reflexion, dass einer überbetonten Indigenität ein romantisches Prinzip zugrunde liegt, auch wenn heute fast nur noch hybride Formen in den Kulturen vorfindbar sind. Völlig vermisst wurde bei der Diskussion die Rolle der Mächtigen und der transnationalen Konzerne.
In ihrem Vortrag „Mission, Ökosystem, Macht in missionsgeschichtlicher Perspektive“ mit historischem Rückblick unter Betonung des Missbrauchs von Macht brachte Diana Lunkwitz die vom Vatikan vorgeschlagene Vergebung gegenüber den Indigenen ein.
Drei parallele im Wechsel sukzessiv stattfindende Arbeitsgruppen zu „Indigenes Wissen und Ökotheologie“ begaben sich auf weitere indigene Spurensuche. Dabei standen der Amazonas, beleuchtet von Stefan Silber, Indonesien, betrachtet von Andar Parlindungan, und Südafrika mit dem Bezug auf die African Initiated Churches durch Juliane Stork im Fokus.
Jangsaeng Kim präsentierte „A Case Study of Canaan Movement in South Korea“. Im Kontext von Konfuzianismus und Buddhismus behauptete sich die christliche Unabhängigkeitsbewegung zunächst gegen Japan. Als sich dann nach dem Krieg die „Canaan Movement“ konstituierte, zählten Opferbereitschaft, Disziplin und Dienst in der Gemeinschaft zu den Haupttugenden. Wie findet das Selbst seinen Platz im Universum? Wie kommt es zur ausgeglichenen Balance zwischen Körper und Geist? Die Frage, die sich angesichts dieses Beispiels stellt, ist, ob der Neokonfuzianismus in christlichem Gewand hinsichtlich des dominium terrae nicht zu weit getrieben wurde, was zwar einerseits entscheidend und hilfreich für den Schub zur Industrialisierung war, andererseits aber ökologische Fragestellungen vernachlässigte.
Am Freitagnachmittag versuchten drei Impulsvorträge einen „Blick in die Weltreligionen“, Annette Meuthrath sprach über Hinduismus und Umweltethik, Carola Roloff über Ökologie im Buddhismus und Aysun Yasar über das islamische Halal-Konzept und Umweltschutz. Dabei kamen wertvolle Gedanken zu Respekt, Achtsamkeit und Abhängigkeit bzw. Interdependenz zur Sprache, brachten aber letztlich keinen Erkenntnisgewinn zu dem Wissen, das wir nicht schon längst in der jüdisch-christlichen Tradition hätten.
Dietrich Werner sprach am Samstag über „Öko-Theologische Ansätze zur Überwindung des despotischen Anthropozentrismus in der Ökumene“. Sein historisch und analytisch dichter Vortrag pointierte das „falsch verstandene dominium terrae“. Er erinnerte an die Studie des Club of Rome, Grenzen des Wachstums, mit ihrer sozialethischen Orientierung, zitierte Lin White, „Die ökologische Krise“, und die Triade des Konziliaren Prozesses, „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“. Als Zukunftsaufgaben betonte er insbesondere die Überwindung des Biokolonialismus und das Engagement für internationales Umweltrecht.
Im Rückblick auf die gesamte Tagung, „Gemeinsam im Oikos leben“, stellen sich aus Beobachterperspektive folgende Fragen und Überlegungen:
1. Ethisch-theologisch: Insgesamt waren die Vorträge und Diskussionen zur Ökotheologie betont ethisch orientiert. Aus biblischer und theologischer Perspektive muss jedoch auch die Frage nach der Doxologie gestellt werden. Da zahlreiche biblische Schöpfungstexte eindeutig doxologisch verstanden werden, verwundert es, dass diese Dimension bei der Tagung zu kurz kam. Vielleicht könnte ein doxologischer Zugang sogar dazu beitragen, die Dominanz der anthropogenen Faktoren in der Diskussion, um das dominium terrrae aufzubrechen.
2. Theologisch: Völlig unberücksichtigt blieb die kritische Auseinandersetzung mit dem Schöpfungsauftrag zur Prokreation, dem ersten der 613 Gebote der Thora: „Seid fruchtbar und mehret euch!“ (Bereschit 1,28) Die Folgen des ungebremsten Bevölkerungswachstums auf den Klimawandel können nicht außer Acht gelassen werden. Der Auftrag zur Prokreation als Teil des dominium terrae hätte unbedingt thematisiert werden sollen.
3. Soziologisch / ökonomisch: Wie positionieren sich die Mächtigen der Welt heute? Welche Rolle nehmen die transnationalen Konzerne im Narrativ des Klimawandels ein? Welche Ziele verfolgen sie? Google, Amazon, Microsoft, Facebook, …. Bereits die Corona-Krise hatte deutlich gezeigt, wie sich die Schere zwischen Arm und Reich während der Krise öffnete und die Superreichen ihr Vermögen vervielfältigen konnten. In dem Zusammenhang sei auf das Weltwirtschaftsforum in Davos verwiesen. Klaus Schwab, Begründer des WEF (World Eco-nomic Forums) hatte zusammen mit Thierry Malleret wenige Monate nach Ausbruch der Corona-Krise das Buch „Great Reset“ veröffentlicht. Wer das Buch gelesen hat, der weiß, dass die Corona-Krise Auslöser für dieses Buch war. Es geht darin in erster Linie um den ökologischen Umbau der Weltwirtschaft, mit dem Ziel, die Ökonomie ins Boot zu holen. Was hier in humanistischem Gewande daherkommt, ist jedoch bei näherem Hinsehen von totalitären Strukturen und Zwängen geprägt. Das Kapitel über Global Governance engt Pressefreiheit und Menschrechte auf entsetzliche Weise ein. Solche globalen Trends und Entwicklungen sollten kritisch beleuchtet und das vom Propheten Hesekiel gebotene Wächteramt ernst genommen werden. Selbst der Green Deal mit seinen wirtschaftlichen und sozialen Komponenten und Auswirkungen wurde in keiner Weise angesprochen.
4. Religionswissenschaftlich: Spannend wäre es auch gewesen, den Klimawandel aus historisch religionswissenschaftlicher Perspektive zu betrachten. Christian Pfister hat den Zusammenhang zwischen den Hexenjagden 1570 bis 1630 und den Klimaanomalien untersucht. Er hat herausgefunden, dass die Spitzen der Hexenverfolgung mit Perioden rapider Klimaverschlechterung zusammenfielen. Ein häufiger Grund für die Hexenverfolgung war der Vorwurf der Wettermagie gewesen. „Dutzende, manchmal Hunderte von Opfern wurden bei sogenannten Superjagden massakriert. Der Verfolgungsimpuls wurde fast vollständig von unten, von den Gemeinden und ihren Vertretern, gefördert und gefordert.“ – „Da jedermann glaubte, die ständigen Missernten seien von Hexen aus teuflischem Hass verursacht worden, erhob sich das ganze Land zu ihrer Ausrottung.“ Pfister, der sich immer wieder auf die Forschungsarbeiten des Historikers Wolfgang Behringer bezieht, sieht klimatische Zusammenhänge als relevant für das Entstehen des Hexenhammers. Interessant ist seine zusammen-fassende Beobachtung: „Im Spätmittelalter wurden nur wenige klimatische Einflüsse als Strafe Gottes interpretiert. Unter den extremen Bedingungen der Nordhemisphärischen Klei-nen Eiszeit (1300-1900) wurde zwischen 1430 und 1460 die Ideologie des Diabolismus ent-wickelt. Sie erklärte Subsistenzkrisen mit der Macht des Teufels, der sich zur Ausübung des Wetterzaubers einer Verschwörung von Hexen bediente. Im 16. Jahrhundert vertrat dann der Reformator Martin Luther in seiner Interpretation des Schöpfungsberichtes die Ansicht, Gott habe die Natur mit Adams Sündenfall verflucht. Die angehäuften Sünden führten zu schwe-ren Strafen in Form von Schadenfrost, Überschwemmungen, Stürmen und Erdbeben.“
5. Naturwissenschaftlich: Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob es nicht an irgendeiner Stelle der Tagung die Möglichkeit zu einer Reflexion über den naturwissenschaftlichen Forschungsstand zum Klimawandel hätte geben können. Im Grunde wurde das im gesellschaftlichen Diskurs vorgetragene Narrativ des anthropogenen Anteils am Klimawandel unhinter-fragt übernommen. Ohne hier einseitig Stellung für eine bestimmte Klimatheorie oder eine Gegenposition beziehen zu wollen, wäre es wünschenswert gewesen, zumindest ansatzweise über die Klimaschwankungen in der Erdgeschichte nachzudenken. Aus der Betrachtung der Mikroperspektive der letzten Jahrzehnte resultiert verständlicherweise das Erschrecken über den Hockey-Stick. Demgegenüber sieht die Kurve der Klimaschwankungen aus der Makroperspektive der zurückliegenden Jahrmillionen eher wie eine Sinuskurve aus, mit riesigen, für uns heute unvorstellbaren Temperaturschwankungen, die selbst bei einem worst case des aktuellen und in die Zukunft extrapolierten Temperaturanstiegs nicht eintreten würden. Die Befürworter der Hockey-Stick-Theorie machen für die Beschleunigung des Anstiegs den anthropogenen Faktor verantwortlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der wissenschaftlichen Debatte für den Temperaturanstieg von 3,3 Watt/m2 in den letzten 30 Jahren die Treibhausgase, insbesondere das CO2, als ursächlich gelten. Viel zu wenig wird demgegenüber im öffentlichen Diskurs die Rolle des Methans und der anderen Treibhausgase in den Blick genommen. Ähnlich ist es mit der Albedo-Rückkoppelung hinsichtlich des Abschmel-zens des arktischen Meereises, der Wechselwirkung zwischen Kryosphäre und globalem Klima, wonach die wirkende Ursache weiter verstärkt wird. Bereits in den 1970er Jahren hatte dieser Prozess begonnen. Zahlreiche Wissenschaftler betonen deshalb, dass die ersten Kipp-Punkte des Klimawandels längst in der Vergangenheit liegen. Dabei stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, anstelle mit moralischen Forderungen das Klima beeinflussen zu wollen, zu versuchen, sich dem Klimawandel anzupassen. Insbesondere die Land- und Forstwirtschaft ist von solchen Anpassungen herausgefordert. Damit soll keinesfalls einem laissez faire das Wort geredet werden. Vielmehr gilt es, die Komplexität des Forschungsstandes und damit das Ringen, um die naturwissenschaftlichen Grundlagen ernst zu nehmen.
Tagungsbeobachtung: Pfr. Dr. Markus Roser, Adelsheim